Purpose plus Profit – brauchen wir eine neue Unternehmensform?

Seit einiger Zeit hat die Abkehr von Shareholder Value und KPIs zur kurzfristigen Profitmaximierung weltweit immer mehr Anhänger gefunden – nicht nur von linksorientierten Aktivisten, sondern auch von großen Konzernen und Investoren. Hinzu kommt, dass gleichzeitig die Aufmerksamkeit für Corporate Purpose, unternehmerischer Sinnorientierung und gesellschaftlicher Verantwortung gewachsen ist. Insbesondere in Deutschland hat das zu dem weit verbreiteten Irrtum geführt, Purpose und Profit würden sich ausschließen oder grundsätzlich Konkurrenz machen.

Dabei geht es bei unternehmerischem Purpose aber eben nicht um altruistische Aktivitäten, die vom „eigentlichen Geschäft“ losgelöst sind. Corporate Purpose erfordert, dass sich Akteure in Organisationen bewusst machen, welche Stakeholder die Auswirkungen des unternehmerischen Handelns betreffen – und dazu eine verantwortungsvolle Haltung übernehmen – sei es in Bezug auf Kunden, Mitarbeiter, Lieferanten, Kooperationspartner, aber auf Nachbarn, Mitbewohner des Landes oder auch bspw. klimarelevante Umwelteinflüsse – die gesamte Menschheit. Das mag für die kurzfristige Profitmaximierung problematisch sein – die langfristige wirtschaftliche Perspektive eines so ausgerichteten Unternehmens wird jedoch positiv sein, da es deutlich weitsichtiger agiert, Loyalitäten stärkt und auch zukünftige Risiken besser einschätzen kann (wie selbst Großinvestoren wie BlackRock erwarten). Ein „guter“ Purpose steht also keineswegs im Gegensatz zu unternehmerischem Profit.

 

„Purpose-Gesetze“ in Frankreich und den USA

Mit etwas zeitlicher Verzögerung ist auch in Deutschland die Debatte angekommen, ob es dafür eine neue Unternehmensform braucht. In Frankreich gibt es seit Mai 2019 eine Erweiterung des Gesellschaftsrechtes, mit drei wesentlichen Elementen:

  • Unternehmen müssen die sozialen und umweltrelevanten Auswirkungen ihrer Unternehmensaktivitäten grundsätzlich in ihren Überlegungen berücksichtigen
  • Es besteht die Möglichkeit, dass Unternehmen in ihrer Satzung eine „raison d’être“ definieren – also ihren Daseinszweck oder auch „Purpose“
  • Es wird die neue Gesellschaftsform der „Société à mission“ eingeführt, die als Purpose-with-Profit-Unternehmen diesen „raison d’être“ als Teil der Unternehmensidentität auch juristisch anerkennt.

Ähnliche Entwicklungen gibt es in den USA mit BCs (Benefit Corporations) und weiteren Initiativen in Südamerika oder auch einigen europäischen Ländern. Mit der juristischen Anerkennung dieser Verantwortung verlässt das Thema Purpose ganz klar den Bereich des „nice-to-have“ oder reinen Marketingüberlegungen und wird ein Anspruch, der von betroffenen Stakeholder auch aktiv eingefordert (und eingeklagt) werden kann. Gleichzeitig hilft es andererseits Shareholder abzuwehren, die eine Geschäftsführung bisher darauf verpflichten konnten Profitmaximierung über alles zu stellen.

In Deutschland gibt es mit dem Leitbild des „ehrbaren Kaufmanns“ (nach italienischem Vorbild), aber auch durch Grundgesetz-Artikel 14 „Eigentum verpflichtet“ seit jeher eine grundsätzliches Verständnis für gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmertum. Initiativen wie die Stiftung Verantwortungseigentum plädieren mit Unterstützung namhafter Unternehmen und Politiker für neue gesetzliche Möglichkeiten, um die Werteorientierung von Unternehmen noch besser verankern zu können. Dies soll auch dabei helfen, Familienunternehmen zur Fortführung gesellschaftlicher Verantwortung zu verpflichten, auch wenn das Unternehmen längst in den Händen anderer Eigentümer ist.

Auch wenn die Ansätze sehr unterschiedlich sind, es oft noch keine klaren Standards gibt wie Organisationen ihren Corporate Purpose definieren und die Einhaltung überprüfen und es ein wenig verwundern mag, wenn das weltweit größte „Entreprise à mission“ ausgerechnet der viel kritisierte Konzern Danone ist: Purpose-Orientierung und nachhaltiges Profitstreben werden für Unternehmen zukünftig zusammen gedacht werden müssen.

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