Ingo Rütten - Interview

Schluss mit dem Agentur-Bullshit

Mit Transparenz, Ehrlichkeit und Vertrauen neue Wege gehen

Wie lassen sich wertvolle Ergebnisse schnell und ohne Umwege erreichen? Wie können Kunden, Agenturangestellte und Freelancer mitgenommen werden? Und wie lässt sich der Wert kreativer Arbeit bestimmen? Die Digitalagentur Granyon sucht seit 2016 neue Antworten auf diese Fragen. Wir treffen den CEO in Kopenhagen.

Mikkel Noe Westh wirkt direkt sympathisch. Wir treffen ihn in einem Café des Kopenhagener Hipster-Stadtviertel Nørrebro. Meist spricht der erfahrende Werber leise und zurückhaltend – doch wenn man ihn fragt, warum er nach Jahren in leitenden Positionen in führenden dänischen Digitalagenturen und Jobs in England und Amerika im letzten Jahr seine eigene Agentur gegründet hat, redet er sich Mikkel auch mal in Rage.

 

Mikkel hat Visionen
Mikkel hat Visionen – das merkt man ihm an!

„Die Geschichte der meisten Agenturen ist eine Geschichte voller Bullshit-Stories. Da sieht man den Agenturgeschäftsführer nur am ersten Tag – später macht die Arbeit dann das billige Juniorenteam.  Es wird ein großes Theater um die Ideenfindungsprozess gemacht, weil man ja eine spontane Idee nicht viele Stunden an den Kunden abrechnen kann. Und Berater, Programmierer und Kreative bremsen sich allzu oft gegenseitig aus, was wiederum der Kunde bezahlen muss. Kurz: ich verstehe, warum Menschen Agenturen nicht vertrauen.“

Neue Wege gehen

Mit diesem Gefühl im Bauch wanderte Mikkel zusammen mit Jasper, Creative Director und Mitgründer, durch den Grand Canyon. Und schließlich fassten sie im Land der unbegrenzten Möglichkeiten den Entschluss: Wir wollen einen anderen Weg gehen. Inspiriert durch den Ort gründeten sie 2016 die Digitalagentur Granyon – mit heute rund 10 festen und freien Mitarbeitern.
„Unser Ziel ist es,  die Stundenabrechnung komplett abzuschaffen. Zwischen unserer Agentur und den Kunden, und zwischen uns und unseren Mitarbeitern und Freelancern. Kreativität kann man nicht in dieser Einheit messen. Ein Konzept ist gut oder nicht gut, passt zur Aufgabenstellung oder auch nicht. Egal, ob man dafür 5 Minuten oder 5 Tage gebraucht hat. Und einmal umgesetzt schafft es für den Kunden einen Mehrwert – also muss das die Messgröße sein, nicht die Zeit ihrer Entstehung. Natürlich gibt es immer einen Budgetrahmen und eine Deadline, aber der Fokus sollte auf der Frage liegen: welche Qualität und welchen Mehrwert wollen wir erzielen? Dadurch erreichen wir bessere Ergebnisse – als Team, gemeinsam mit dem Kunden.“

Erste Schritte gemacht

Es ist nicht einfach Stundensätzen abzuschaffen – eine Einheit, die sich über Jahre als selbstverständliche Basis zur Berechnung der Bezahlung etabliert hat. Mikkel gibt zu, dass sie noch nicht ganz am Ziel sind und noch viel ausprobieren. Aber die wesentlichen Schritte hat er gemacht: Grayon vereinbart mit seinen Auftraggebern einen Gesamtprozess, mit wöchentlichen Arbeitspaketen. Diese Pakete haben einen Fixpreis. Ob das gesamte Team nun Tag und Nacht daran arbeitet, seine Zeit in andere Dinge investiert oder mal ganz früh Schluss macht, entscheiden die beteiligten Mitarbeiter autonom. Einzig und allein sind Qualität und Einhaltung der Deadline wichtig – da sind sich alle einig.
Wie das Ganze funktioniert? Die drei fundamentale Werte: Transparenz, Ehrlichkeit und Vertrauen sind bei Granyon entscheidend. „Das erwarten wir von unseren Kunden und müssen es deshalb auch immer wieder selbst unter Beweis stellen.“ So dokumentieren die Teams von Granyon beispielsweise sehr genau ihre täglichen Fortschritte am Projekt und schreiben tägliche Reports. „Aber auch unsere interne Zusammenarbeit muss von diesen Werten geprägt sein. Ich möchte gar nicht die Arbeitszeit von jedem einzelnen Mitarbeiter kontrollieren. Aber ich möchte das Kunden und Mitarbeiter spüren, dass wir alles dafür tun das beste Ergebnis zu erzielen“ Voraussetzung für diese Arbeitsweise ist ein bestimmtes Mindset der Teammitglieder. „Wir achten schon bei der Personalauswahl sehr genau darauf, ob jemand in unser Team passt und unsere Werte teilt. Skills und Erfahrung sind wichtig. Ob jemand wirklich zu uns passt, zeigt sich aber im ersten Monat.“

 

Stefanie: Was ist Dein Rezept für eine gute Beziehung zwischen Agentur und Kunde? Mikkel: Ehrlichkeit und Vertrauen.

Der Weg muss zum Ziel passen

„Einige Male haben wir bei anderen Digitalagenturen mitangesehen, dass sie monatelange Entwicklungsprozesse und zig Workshops abgehalten haben, wo man vieles deutlich pragmatischer angehen könnte. Aber wenn Agenturen ihr Geschäftsmodell darauf ausrichten Stunden zu verkaufen, dann werden sie eher zeitaufwändigere Prozesse anwenden. Wir fokussieren uns auf die Insights und das Wissen, die für die Problemlösung absolut notwendig sind – und setzen diese dann in Prototypen um. Dann kann jeder bei uns und beim Kunden frühzeitig online testen und überprüfen, ob unsere Ideen funktionieren. So stecken wir unsere Zeit in Konzepte, die Mehrwerte generieren – und nicht nur dem Designer gefallen.“

Große Ziele im Blick

Granyon steht am Anfang – hat aber ambitionierte Wachstumsziele, die auch ins Ausland gehen könnten. Eine gute Kundenliste – von Velux, Solar bis zu DR, dem größten Medienverbunds Dänemark – und ein reges Interesse potenzieller Bewerber bilden dafür eine gute Basis.
„Vertrauen muss man sich verdienen, aber wenn man einmal auf dieser Basis zusammenarbeitet, dann macht solche Arbeit einfach mehr Spaß – und bietet viel mehr Freiheiten.“ Mit diesem Satz verabschiedet sich der erfolgreiche Agenturchef, weil er jetzt zu seinen Kindern möchte. Es ist 17.30 Uhr an einem Mittwochnachmittag.

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