Interview über Markenstrategie

Made in Brazil, Portugal and Indonesia

Wie die Digitalisierung zu internationalem Wettbewerb zwischen Designern führt

Werden in Asien bald nicht nur Handys und T-shirts günstig produziert, sondern auch Logos, Websites und ganze Kampagnen? Was passiert, wenn Designer auf der ganzen Welt um ein Projekt in Deutschland pitchen? Und welche Gestaltungsmöglichkeiten haben Auftraggeber im globalen Wettbewerb? Wir sprachen mit einem Designer, der auf internationalen Design-Plattformen arbeitet.

Wir treffen Igor im westlichen Lissabon. Da wo der Tejo schon fast den Atlantik küsst. Igor ist Designer, gebürtiger Brasilianer, aber wohnhaft in Lissabon. „Hier erhält man für das gleiche Geld einen weitaus höheren Lebensstandard als bei uns in Rio“ erzählt er uns.

Mit Igor haben wir so etwas wie ein Blinddate. Über seine Konzepte haben wir in Frankfurt schon viel diskutiert. Persönlich kennen wir ihn aber nicht. Über die Internetplattform 99designs hat er neben etlichen anderen Kreativen an unserem Workstyles-Logo gearbeitet. Designer aus Kroatien, Indonesien und von den Philippinen wurden nach unseren Vorstellungen im letzten Jahr kreativ. Igor war einer der Finalisten.

Neue Plattformen verändern die Zusammenarbeit

Kreativ-Plattformen wie 99designs oder designcrowd geben Kreativen und Auftraggebern die Möglichkeit virtuell Aufträge abzuwickeln. Egal ob der Kunde in Deutschland, den USA oder Südafrika eine Kreativleistung benötigt, am anderen Ende sitzen Designer, die ihre Ideen einreichen. Wer gewinnt und wie dieser für seine Leistung honoriert wird, entscheidet der Kunde.

Igor, der an der Universität in Lissabon Brand Management studiert, sieht viele Chancen in diesen Plattformen. „Durch die Digitalisierung erhalte ich Kontakte zu Auftraggebern aus der ganzen Welt.“ Gleichzeitig weiß er, dass er sich mit anderen Experten in seinem Bereich im weltweiten Konkurrenzkampf befindet. „Egal wie hoch die Lebenshaltungskosten sind, alle erhalten am Ende das gleiche Geld. Die einen können sich das ganze Jahr von diesem Gewinn ernähren, für die anderen reicht es gerade für den Lebensunterhalt eines Monats.“

30% der Wettbewerbe gewann Igor in seinem ersten Monat bei 99designs. Das war weit über dem Durchschnitt. Im zweiten Monat lag seine Erfolgsrate deutlich niedriger. Denkt der Anfang 30-jährige aber über seine Zukunft nach, wird schnell klar, dass diese Art zu arbeiten für ihn langfristig keine Option ist. „Als Student ist das ok, aber mit Familie und Kindern brauchst du mehr Sicherheit.“

Was heißt faire Arbeit? Wieviel Planbarkeit ist notwendig? Igor berichtet von seinen Erfahrungen.
Was heißt faire Arbeit? Wieviel Planbarkeit ist notwendig? Igor berichtet von seinen Erfahrungen.

Fairness trotz internationalem Wettbewerb

Die Plattformen machen regionale Handarbeit zum globalen Handelsgut. Zurückzudrehen ist diese Entwicklung nicht. Vielmehr stellt sich die Frage, welche Verantwortung Auftraggeber und Anbieter der Plattformen haben. Igor schlägt vor, dass der Preis nicht von den Plattformen vorgegeben, sondern auch von den Designern mitbestimmt wird „Die Qualität einer Kreativleistung kann am besten von Experten bewertet werden.“ Andere Modelle sind ebenfalls möglich. Etwa, dass schon die Teilnahme am Wettbewerb und damit der Prozess und die Weiterentwicklung eines Logos honoriert werden. Oder, dass die Anzahl der teilnehmenden Kreativen beschränkt und das Honorar untereinander aufgeteilt wird.

Auf die Frage von Johannes aus Berlin, ob mehr Jobs auf Grund von neuen Technologien entstehen, findet Igor eine differenzierte Antwort. „Einfache Aufträge, wie eine Logoentwicklung können zukünftig mit Hilfe von technischen Unterstützungen ganz ohne Designer generiert werden.“ Für komplexe Entwicklungen sieht Igor dies anderes. „Echte Marken sind weit mehr als nur Design. Komplexe Markenentwicklungen erfordern Prozesse und Interaktionen zwischen Kunden und Markenentwickler, die die Stärken und den Charakter des Unternehmens aufgreifen.“ Dies können auch in Zukunft nicht von Maschinen übernommen werden. Mit seinem Masterstudium bereitet er sich genau auf diese komplexeren Tätigkeiten vor.

In unserem Logo-Wettbewerb ist Igor übrigens leer ausgegangen. Mit der von uns gewählten garantierten Gewinnausschüttung (es geht auch ohne Gewinngarantie!) erhält nur der Gewinner ein Honorar. Igor investierte 12 Stunden Arbeit. Gewonnen hat ein indonesischer Mitbewerber, der auf unsere Interviewanfrage allerdings nicht reagierte. Was für Igor blieb: eine Einladung auf ein Bier von Stefanie und Ingos Versprechen ihn zukünftig als Freelancer zu beschäftigen.

Hier geht’s zu Igors Profil

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