Digitale Arbeit - Workstyles

Drei Herausforderungen für Wachstumsunternehmen

Wir treffen Michiel in einem hippen Café nahe des Amsterdamer Hauptbahnhofs. Mit gerade 32 Jahren hat er schon einiges erlebt: Politikwissenschaften studiert, in einem kleinen Startup gearbeitet, Inhouse-Consultant für Konzerne wie Heinecken und Philipps, eine eigene Radiokolumne im Buniess News Radio, ehrenamtlicher Social Media Manager der Dutch Democratic Party und heute Strategieberater bei VALTECH, eine der größten Digitalagenturen der Niederlande. Seine Erfahrung in der Arbeitswelt zeigt: „Große Unternehmen können von kleineren lernen, um den Anforderungen von New Work gerecht zu werden“. Welche Herausforderungen stellen sich im Alltag?

1. Wie kann man Prozesse etablieren, die nicht die Kreativität ersticken?

Agile Arbeitsmethoden, Sprints und Scrum-Sessions kennt Michiel ebenso, wie klassisch-lineares Projektmanagement. Die Stärken all dieser Prozesse sieht er im strukturierten Abarbeiten definierter Aufgaben und natürlich sind sie geeignet, um große Teams zu koordinieren. Aber: „Echte kreative Lösungen und etwas wirklich Neues kann so nicht entstehen. Kreativität braucht Freiräume.“ Diese können sehr unterschiedlich aussehen: flexible Arbeitszeitmodelle sind dabei nur ein Baustein – viel wichtiger noch erscheinen echte Freiräume bei der Zeiterfassung. „In Startups kann ich Auszeiten für Experimente und Ideenentwicklung nutzen, ohne diese auf einen bestimmten Kunden buchen zu müssen oder überhaupt am Schreibtisch zu sitzen. Man wird keine starken Ideen bekommen, wenn man erst ein Formular ausfüllen muss.“

Und dann landen wir bei einem zentralen Punkt, der uns auch in vorherigen Gesprächen immer wieder begegnet ist: Vertrauen statt Kontrolle. Das Vertrauensverhältnis, das in kleinen Unternehmen herrscht, muss auch in größeren Strukturen wiedergefunden werden. Michiel ist überzeugt „das motiviert die Mitarbeiter und führt zu besseren und kreativeren Arbeitsergebnissen.“

Wie kann Kreativität erhalten bleiben – Michiel van Dam setzt sich mit vielen Fragen auseinander.

2. Wie erschafft man eine starke Identität, die trotzdem offen für Neues ist?

Kleine Unternehmen leben meist von einer starken Führungspersönlichkeit, die gleichzeitig die Identität und den Charakter des Unternehmens prägt. „Wenn Unternehmen stark wachsen oder Übernahmen bevorstehen, droht Orientierungslosigkeit!“, weiß Michiel aus eigener Erfahrung. Durch laufend neue und wechselnde Mitarbeiter ist es schwierig eine eigene Kultur zu definieren, zu vermitteln und lebendig zu halten.

Dabei sieht Michiel die Gefahr an zwei Enden: Einerseits kann eine zu starre Kultur, oft mit der Dynamik eines sich verändernden Unternehmens nicht Schritt halten und passt nach kurzer Zeit nicht mehr. Oder wirkt abschreckend für neue Fachkräfte, die sich nicht mit ihren eigenen Ideen einbringen können und somit entwicklungshemmend. Andererseits steckt in einer zu schwachen Kultur das Risiko der Austauschbarkeit: „Gerade in Amsterdam oder sogar allgemein in Holland kennen sich die Branchenexperten untereinander sehr gut.“ Deshalb kann man leicht von einer Firma zur nächsten wechseln. Wenn es keine starke Unternehmensidentität gibt und somit auch keine Identifikation der Mitarbeiter, dann entscheidet allein das Gehalt.

3. Wie stärkt man Expertentum, ohne dass das Wissen in Silos endet?

„Im kleinen Team triffst du dich mal eben zum Kaffee und berichtest über das Projekt!“ erinnert sich der Kommunikationsexperte. Doch je mehr Mitarbeiter zusammenarbeiten, desto mehr Struktur braucht es. „Viele große Unternehmen spielen diese Stärke nicht aus. Sie haben Experten – teilweise in verschiedensten Ländern und mit umfangreicher Erfahrung, aber dieses Wissen wird nicht genutzt.“ Die Aufsplittung der Aufgaben in immer kleinere Spezialdisziplinen und mangelnder crossfunktionaler Einsatz und Austausch verhindern so eine echte Weiterentwicklung. Dabei ist das im Unternehmen vorhandene Wissen ein ungehobener Schatz. Manche Unternehmen stellen auch dafür entsprechende Intranet-Lösungen und Tools zur Verfügung. „Es gibt heute schon eher zu viel Tools und Prozesse als zu wenig. Woran es mangelt ist Zeit und Freiräume für den persönlichen Austausch.“ Ohne Zeiterfassung, versteht sich.

Für die Zukunft gerüstet

Zum Schluss gibt Michiel uns noch mit auf den Weg: „Auch wenn ich sehe, dass noch einiges verbessert werden kann: Ich schätze mich glücklich in Amsterdam zu arbeiten: Offenheit, Ehrlichkeit, flache Hierarchien und der Blick auf Leistungen statt auf Status sind seit jeher typisch niederländische Eigenschaften, mit denen wir schon heute ganz  gut für die Arbeitswelt der Zukunft gerüstet sind.“

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