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Arbeit im Zeitalter der Hyper-Agilität

7 provokante Thesen zum Wandel der Arbeit

Schneller, vernetzter, komplexer. Edmonia Baker kennt die Herausforderungen – nicht nur der dänischen Unternehmen. Die Zukunftsforscherin berät Start-ups, Konzerne und Organisationen, wie sie sich auf diese Trends einstellen können. Die geforderte Kernkompetenz lautet: Hyper-Agilität.

Wir treffen Edmonia Baker in einem Café im Herzen von Kopenhagen. Es ist gerade Fashion Week – die Tischnachbarn im gut gefüllten Café in der Innenstadt sind jung, gut gekleidet und dynamisch. In dieser Stadt entstehen Trends – nicht nur im Modebereich. Edmonia kennt sie. Sie ist Netzwerkpartnerin des Copenhagen Institute for Futures Studies. Als Zukunftsforscherin und Unternehmensberaterin hilft Edmonia dabei neue Trends der Arbeitswelt zu erkennen und erfolgreich zu nutzen. Dabei bringt sie ihre Erfahrungen aus der Arbeit für internationale Konzerne, der Tech-Szene und Kommunikationsbranche ein. Im Kopenhagener Institut wurde der Begriff der „Hyper-Agility“ mitgeprägt, der unsere heutige Zeit ganz treffend beschreibt. Doch was heißt das für unsere Arbeit? Sie verrät uns ihre Sicht in sieben spannenden Thesen.

Kopenhagen, total im Trend – auch in Sachen Arbeit.

1. Beziehungsstatus: es ist kompliziert!

Vollzeit-Festanstellung oder Selbstständigkeit? Solche Kategorien lösen sich im Zeitalter der Hyper-Agilität auf. Neue Formen von Teilzeit, Homeoffice, Clickworking, Coworking, Kollaboration, Netzwerken entstehen. Aber auch die bisherigen Formen der Zusammenarbeit existieren weiter. Es wird in der Beziehung zwischen Arbeitgeber und Auftragnehmer kein schwarz oder weiß mehr geben, sondern viele Grauschattierungen.

2. Keine Einhörner jagen

Klassische Institutionen, Politik, Gewerkschaften und Sozialsysteme sind mit dem heutigen Variantenreichtum überfordert. Sie denken in engen Kategorien und versuchen neue Tendenzen über einen Kamm zu scheren. Deshalb heißt New-Work-Förderung nicht nur in Dänemark allzu oft: Hightech-Startups fördern. Am besten, um wie im Silicon Valley, milliardenschwere „Unicorns“ aufzubauen, die als Leuchtturm für die Wirtschaft und eine neue Arbeit gelten. Das ist aber keine Lösung für die Masse der Menschen, die sich selbstständig machen. Schon heute gibt es unzählige Beispiele von Klein- und Kleinstunternehmen, die Unternehmertum neu denken. Viele von diesen Unternehmen fokussieren nicht nur auf Return-on-Investment und Gewinn, sie schaffen häufig einen Mehrwert für die Gesellschaft und achten auf nachhaltiges Wirtschaften. Diese Unternehmen sollten im Rampenlicht stellen, denn sie eignen sich besser als realistisch erreichbare Vorbilder – auch für diejenigen, die keine Programmiergenies sind.

3. Menschen vernetzen Maschinen vernetzen Menschen

Auch Menschen, die nicht in der IT-Branche arbeiten bekommen die Auswirkungen der Digitalisierung massiv zu spüren. Neben dem bereits vieldiskutierten Aspekt, dass dadurch viele Arbeitsplätze verloren gehen, stecken in der Digitalisierung eine Menge Chancen. „Erst vernetzen wir im Internet der Dinge die Maschinen – aber diese Entwicklung wird auch Menschen wieder ganz neu verbinden.“ Unternehmen können heute von kleineren Teams, ohne hohe Investments und mit viel dynamischeren Strukturen gegründet werden. Expertise und Kapazitäten, die man selbst nicht hat, kauft man von außen zu. Die Stärke des Unternehmens sind nicht die eigenen Produktionsmittel oder das Wissen, sondern sein Netzwerk.

4. Der Siegeszug der Generalisten

Wenn wir mit IT komplexe Prozesse beschleunigen und standardisieren und Expertise jederzeit zukaufen können, dann steht im Zentrum der „neuen Unternehmen“ ein Menschentypus, den man als „Neuen Generalisten“ bezeichnen kann. Er muss kein Experte auf einem Spezialgebiet sein – er muss sich die Möglichkeiten der Digitalisierung zunutze machen, ein stabiles Netzwerk aufbauen und es mit dem steuern was keine IT ersetzen kann: seiner sozialen Kompetenz.

 

Old Work – New Work?

5. Mitarbeiter sind keine Ressourcen

Entsprechend kommt in allen Unternehmensformen dem Thema Personal eine völlig neue Bedeutung zu. Aus „Human Resources“ muss ein echtes „Human Potential Management“ werden. Dazu braucht es massive Investitionen an Zeit, Geld und Aufmerksamkeit in diesen Bereich. Es wird auch hier nicht die eine Lösung geben , die für jeden fest-, frei-, teilzeit-, vollzeit- oder sonst wie arbeitenden Menschen gilt. Förderung und Potential Management wird sich dann für die Unternehmen lohnen, wenn diese individuellen Potenziale tatsächlich freigesetzt werden.

6. Bonus-Schecks allein sind keine Motivation

Um die Potenziale jedes Individuums freizusetzen braucht es auch weiterhin Motivation und Anreizsysteme. Doch auch hier gilt nicht mehr „one size fits all“. Klassische monetäre Bonussysteme oder Gehaltserhöhungen motivieren eine Vielzahl neuer Mitarbeiter und Kollaborateure nicht mehr (nicht nur aus der Generation Y). Stattdessen muss auch hier jedes Unternehmen hyperagil werden und herausfinden womit jeder Einzelne ideal belohnt wird: das können auf die Lebenssituation angepasste Arbeitszeitmodelle sein, Homeworking-Angebote, kostenlose Kinderbetreuung – oder auch weiterhin für manche Geld. Wenn man sich hier an den Bedürfnissen der Mitarbeiter orientiert, wird aus den gemeinsam geschaffenen Unternehmenswerten echter „shared value“.
Was motiviert? Geld oder Zeit (für einen Kaffee)?

7. Flexibilität braucht Fixpunkte

Wird jetzt alles hyperagil? Ja. Und nein. Denn die Öffnung dieser über Jahrzehnte etablierte Strukturen bedeutet für viele Menschen nicht nur positiven „Change“ – sondern auch Veränderungsstress. Das führt letztendlich zu einer Renaissance von traditionellen Werten wie Zuverlässigkeit und Vertrauen. Hier kann Organisationen, die die Schnittstelle zwischen Arbeitserbringer und Arbeitsverteiler bieten – also das was wir bisher als Unternehmen bezeichnen – ein ganz neue Rolle zukommen. Sie werden zu neuen Fixpunkten und bieten in immer agilerem Umfeld eine echte „Homebase“, zu der ich gerne zurückkehre und an die ich mich binde  – wenn auch vielleicht nicht mit juristischen Verträgen. Ein starkes Branding, eine gelebte vertrauensvolle Kultur und gemeinsame Werte können so die Basis sein für eine Renaissance einer neuen Art alter „Unternehmen“.

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