Experten-Interview Indra

Das spanische Technologie-Unternehmen Indra entwickelt mit mehr als 31.000 Mitarbeitern mehrwert-orientierte Lösungen für Transport, Verkehr, Energie, Telekommunikation, Gesundheit, Finanzdienstleistungen, Sicherheit und Verteidigung. Seit Anfang des Jahres betreut Indra für die DFS 100% des deutschen Luftraums. Ingo Rütten interviewt Marcial Bellido, den Deutschland-Direktor von Indra für das DFS-Programm im Auftrag des Magazins “economía” der Deutschen Handelskammer für Spanien.

 

Ingo Rütten: Herr Bellido, das Unternehmen Indra hat weltweit rund 31.000 Mitarbeiter, der Umsatz belief sich im vergangenen Jahr auf 2.557 Mio. Euro, es ist im IBEX 35 notiert. Trotzdem gibt es immer noch Menschen, die Ihr Unternehmen nicht kennen. Können Sie uns erklären, was das Kerngeschäft von Indra ist?

Marcial Bellido: Viele Menschen in Europa kommen tagtäglich in Kontakt mit Produkten von Indra – ohne es zu wissen. Wenn Sie beispielsweise im Flugzeug sitzen, ist es sehr wahrscheinlich, dass ein Luftverkehrs-Management-System von Indra ihre Flugreise abwickelt und sicherer macht. Denn wir haben mehr als 1.200 Systeme in 90 Ländern installiert. Oder im Gesundheitswesen: wir managen die Systeme für 2/3 der spanischen Bevölkerung. Bei Finanzdienstleistungen: praktisch alle führenden Finanzinstitute in Spanien sind Kunden von Indra. Sie sehen, unsere Lösungen sind in sehr vielen Telekommunikations-Sektoren vertreten, die das tägliche Leben verbessern. Unsere Technologie dient schon heute über 240 Millionen Usern weltweit – und täglich werden es mehr.

 

Ingo Rütten: Ihr Heimatmarkt Spanien machte 2010 einen Umsatzanteil von 60% aus. Der dort aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage leicht sinkende Umsatz wurde aber durch die Umsatzsteigerung im internationalen Markt mehr als ausgeglichen. Welche Rolle spielt die Internationalisierung in der langfristigen Unternehmensstrategie von Indra?

Marcial Bellido: Unser Ziel ist es ganz klar in unseren Geschäftsfeldern global führend zu sein. Dabei sehen wir gerade in der aktuellen Situation der Globalisierung und Öffnung der Märkte eine Vielzahl von Möglichkeiten um unsere internationalen Aktivitäten voranzubringen. Dazu gehören die europäischen Länder ebenso, wie Lateinamerika und Asien. Im Bereich Luftverkehrsüberwachung haben wir gerade in China zu Beginn des Jahres beachtliche Erfolge vorzuweisen. Und auch die Märkte in Südamerika oder auch Nordafrika entwickeln sich zum Teil sehr dynamisch – und als spanisches Unternehmen haben wir dort natürlich eine sehr gute Ausgangssituation für den Geschäftsaufbau. Unser Unternehmen wird zukünftig einen noch stärkeren Fokus auf die Internationalisierung legen, denn dadurch erschließt sich das Unternehmen Wachstumschancen, die weit über dem Durchschnitt unserer Branche liegen.

 

Ingo Rütten: Auch Deutschland scheint ein attraktiver Markt für Indra zu sein. Anfang des Jahres gaben Sie bekannt, dass Indra in Zukunft 100% des deutschen Luftraums managen wird. Wie kam dieses Großprojekt zustande?

Marcial Bellido: Die Zusammenarbeit von Indra und der Deutschen Flugsicherung (DFS) hat eine lange Geschichte. Bereits 1994 haben wir an der Modernisierung von Luftverkehrs-Überwachungszentren mitgearbeitet. Seit 1999 wird das von uns entwickelte Flugplan-Management-System in den Kontrollzentren von Frankfurt, Düsseldorf, München und Bremen implementiert. Dieses Projekt war der Grundstein für die Entwicklung einer völlig neuen Generation von Luftverkehrs-Management-Systemen, das unter dem Projektnamen VAFORIT nun seit Ende letzten Jahres aktiv ist. Mit diesem System wird von Karlsruhe aus der höhere Luftraum in Deutschland überwacht und gemanaged. Aber mit der Implementierung in Deutschland ist unsere Arbeit noch nicht beendet. Im Rahmen des iTEC-Programms wird die Interoperabilität der Flugsicherheit in den verschiedenen europäischen Ländern weiter verbessert. Zusammen mit der DFS, der britischen NATS und der spanischen AENA und neuerdings der niederländischen LVNL wird so die Kompatibilität der nationalen Sicherheitssysteme gesteigert. Und Indra ist als Technologiepartner mit an Bord.

 

Ingo Rütten: Was sind die Vorteile der neuen Generation von Luftverkehrs-Management-Systemen?

Marcial Bellido: Im Grunde genommen leisten wir für unsere Kunden die Quadratur des Kreises, denn es gilt eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. In allererster Linie geht es natürlich um die Sicherheit im Luftraum. Diese muss auch bei weiter steigendem Flugaufkommen gewährleistet bleiben. Deshalb unterstützen unsere Systeme die Mitarbeiter der Flugsicherung dabei, mehr Informationen zu verarbeiten und sie nehmen ihnen automatisierbare Aufgaben ab. So können sie mehr Flugzeuge sicher durch den Luftraum zu begleiten. Neben der Sicherheit und der Kapazitätserhöhung steigt durch unser System aber auch die Flexibilität bei der Nutzung des Luftraums. Und das hat eine ganze Reihe positiver Effekte: weniger Verspätungen, kürzere Flugrouten, weniger Kraftstoff-Verbrauch und geringere Emissionen.

 

Ingo Rütten: Sie sind bei Indra der Experte für den deutschen Markt. Wo sehen Sie die Unterschiede in der Geschäftskultur zwischen den beiden Ländern? Und war es schwierig für Sie hier Lösungen „Made in Spain“ anzubieten?

Marcial Bellido: Im Bereich des Luftverkehrs-Management hat die Marke Indra bei den Experten in Deutschland seit langem einen hervorragenden Ruf. So dass wir hier auf keinerlei Vorbehalte stießen – auch wenn in der öffentlichen Meinung das Länderimage Spaniens nicht so stark mit technologisch innovativen Lösungen verbunden wird. Aber auch Spanien verfügt über eine Vielzahl anspruchsvoller und global erfolgreicher Unternehmen, die wir zu unseren Auftraggebern zählen dürfen und diese Arbeiten sind in Deutschland sehr gute Referenzen.

Andererseits muss man sagen, dass es für uns eine sehr bereichernde Erfahrung ist für deutsche Unternehmen zu arbeiten. Deutsche Produkte sind bekannt für ihre Qualität, Robustheit und Langlebigkeit – und diese Kriterien wurden auch Teil unserer Aufgabenstellungen und zwar auf allerhöchstem Niveau, wie es in keinem anderen Land gefordert wird. Anfangs haben uns diese hohen Ansprüche Kopfzerbrechen bereitet, aber durch die hervorragende Zusammenarbeit mit der DFS und unseren innovativsten Experten konnten wir alle Anforderungen erfüllen. Und somit aus diesen Projekten wieder viel lernen, was unsere Innovationsführerschaft weiter sichert.
Ich persönlich arbeite sehr gerne mit deutschen Partnern, denn unsere Kulturen und Erfahrungen ergänzen sich gut und das ermöglicht starke Allianzen und stabile Freundschaften.

 

Herr Bellido, vielen Dank für das Interview.

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